Ein Verkehrsunfall ist für die meisten Betroffenen eine Ausnahme- und Stresssituation. Es ist daher hilfreich vorher schon einmal durchdacht zu haben, was dort auf einen zukommt. Nachfolgend ein paar (nicht notwendig abschließende) Erwägungen:
1. Verletzte versorgen und Unfallstelle sichern
Liegt die Unfallstelle so, dass Folgeunfälle in Betracht kommen und sind Personen verletzt, so hat die Vermeidung von weiteren Schäden höchste Priorität.
Dabei muss im Einzelfall abgewogen werden, was zuerst dran ist. Zwei Beipiele:
- Es gibt Verletzte mit Schürf- und leichten Platzwunden aber keine größeren Verletzungen, die Unfallstelle liegt unübersichtlich, so dass jederzeit ein Fahrzeug in die Unfallstelle hineinfahren könnte; die Absicherung der Unfallstelle dürfte am wichtigsten sein.
- Die Unfallstelle liegt auf einer übersichtlichen Straße aber ein Verletzter weist starken Blutverlust oder gar einen Kreislaufstillstand auf; der Verletzte wäre zuerst zu versorgen, da die Gefahr von Folgeunfällen gering ist und ansonsten der Verletzte zu versterben droht.
Eine pauschale Antwort auf die Frage der Reihenfolge zwischen Sichern der Unfallstelle und Versorgung der Verletzten kann es daher nicht geben. Es gilt: Bewahren sie einen kühlen Kopf!
2. Daten sichern
Die Unfallstelle wird nie wieder so sein, wie sie zum Unfallzeitpunkt war. Wenn also jemand Interesse hat, den Unfallhergang zu rekonstruieren, bspw. um Schadensersatzansprüche durchsetzen zu können, muss früh an eine Sicherung des Zustandes gedacht werden. Dazu gehört nach Möglichkeit und abhängig vom Geschehen:
- Bilddokumentation
- Protokoll der Fahrzeugbesetzungen
- Gedächtnisprotokoll des Geschehens
- Personalien (inkl. einer postalischen (ladungsfähigen) Anschrift) der Beteiligten und Zeugen
- … was sonst noch wichtig werden könnte
Bitte achten sie darauf, sich bei dem Dokumentieren nicht selbst und auch keine anderen zu gefährden!
3. Datenaustausch ermöglichen
Kommen sie als Unfallbeteiligter in Betracht, so sind sie verpflichtet, die Feststellung ihrer Personalien und die Art ihrer Beteiligung zu ermöglichen. Entfernen sie sich unentschuldigt vorher vom Unfallort oder ermöglichen sie bei entschuldigtem Entfernen die Feststellungen später nicht, so droht ihnen eine Strafe, die auch Auswirkungen auf ihre Fahrerlaubnis haben kann!
Bleiben sie also ansprechbar für etwaige Unfallgegner oder bieten sie ihre Personalien an, bevor sie den Unfallort verlassen! Beachten Sie dabei auch Schäden an der Infrastruktur wie Leitpfosten u.ä. Ggf. empfiehlt sich eine Mitteilung mittels Handy beim zuständigen Straßenbauamt, hilfsweise bei der Polizei.
Achtung: in Einzelfällen kommen sie auch als Beifahrer als Unfallbeteiligter in Betracht. Bspw. wenn sie den Fahrer abgelenkt oder ins Lenkrad gegriffen haben.
4. Unfallstelle räumen
Abhängig von der Unfallstelle ist spätestens jetzt der Zeitpunkt, die Unfallstelle zu räumen, soweit nicht Polizei oder andere Befugte etwas anderes sagen.
Sollten Betriebsmittel ausgelaufen sein, so kann die Strecke ggf. nicht einfach wieder frei gegeben oder Fahrzeuge nicht einfach bewegt werden. Die zuständigen Ämter (s. 3.) sollten einbezogen, hilfsweise Polizei oder Feuerwehr benachrichtigt werden. Auch die Hilfe von Automobilclubs und Bergungsunternehmen kann hier in Anspruch genommen werden.
Suchen sie im Zweifel die Kommunikation mit den zuständigen Stellen und fragen sie sich durch.
5. Nachsorge
Haben sie selbst Verletzungen oder sonstige Schäden erlitten, so sollten sie auch in der Folgezeit diese, deren Beseitigung und entstehende Kosten dokumentieren, bspw. durch das Sammeln von Belegen und Vorstellen beim Arzt einschließlich Heilungsverlauf.
Sind sie Geschädigter eines Unfalls mit einem Kraftfahrzeug, so können sie regelmäßig fast ohne Kostenrisiko einen Anwalt mit der Regulierung der Unfallschäden beauftragen. Machen sie einfach einen frühen ersten Beratungstermin beim Anwalt ihres Vertrauens aus und fragen sie zunächst unverbindlich nach Kosten und Möglichkeiten. In den meisten Fällen werden die Kosten von der gegnerischen Versicherung getragen.
Vorsicht ist bei der Beauftragung von Sachverständigen zur Beurteilung von Sachschäden geboten, da sie auf deren Kosten ggf. anteilig sitzen bleiben können. Hier empfiehlt sich — wenn sie die Beauftragung eines Anwalts in Betracht ziehen — zuerst Rücksprache zu nehmen.
Sonstiges
Verkehrsunfälle ziehen fast immer eine Vielzahl von Verfahren nach sich. So sind zumeist mindestens Ordnungswidrigkeiten von dem ein oder anderen Beteiligten verwirklicht, nicht selten auch Straftaten.
Überlegen Sie daher vor dem Einschalten der Polizei, ob dieses ihnen hilft oder eher zum Fallstrick wird. Zu empfehlen ist es, wenn es beim Unfallgegner Anzeichen von Drogen- oder Alkoholeinfluss gibt. Auch wenn auf ihrer Seite schwere Verletzungen vorliegen, kann eine polizeiliche Aufklärung eine hilfreiche Unterstützung sein. Haben sie aber Anteil an der Unfallverursachung, so stellt die Einschaltung der Polizei zumeist ein Risiko dar.
Jedenfalls gilt: machen sie gegenüber der Polizei keine unüberlegten Angaben. Sie sind verpflichtet Personalien anzugeben, ggf. noch ihre Fahrerlaubnis und Fahrzeugpapiere vorzuweisen. Darüber hinaus sollte wohl überlegt werden, was angegeben wird. Als Zeuge, als (zukünftig) Betroffener eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder als (zukünftig) Beschuldigter im Strafverfahren brauchen sie gegenüber der Polizei [Update] grundsätzlich¹ [/Update] keine Angaben machen, auch wenn die Beamten sie gerne dahin motivieren. Auch brauchen Sie bei Alkohol- oder Drogenkontrollen nicht mitwirken! Zwar können die Polizisten unter Umständen dann zur zwangsweisen Probennahme schreiten. Diese ist jedoch zu begründen und droht bei konkretem Verdacht (positiver Schnelltest) ohnehin. Stimmen sie zu, ist gegen die Maßnahme kein Rechtsschutz mehr möglich. Dulden sie (dazu wären sie verpflichtet!), so könnte die Maßnahme im Nachgang überprüft werden. Außerdem ist es wesentlich schwieriger, einmal erhobene Sachverhalte aus Akten wieder herauszubekommen, als später etwas hinzuzureichen.
Ebenso sollten sie keine übereilten Erklärungen gegenüber Unfallgegnern abgeben. Dieses könnte auf ihr Vermögen durchschlagen und sie Teile des Versicherungsschutzes ihrer Haftpflicht kosten.
Fazit
Zuallererst gilt es die Ruhe zu bewahren und weitere Schäden zu vermeiden. Dann ist der Blick auf die Zukunft zu richten und der Sachstand zu dokumentieren sowie Daten auszutauschen.
Bei alledem kann nach Möglichkeit noch darauf geachtet werden, die eigene Position nicht unnötig zu verschlechtern, indem man polizeiliche Verfahren gegen sich provoziert.
Fußnote
1: [Update 2017-06-23] Der Bundestag hat am 22. Juni 2016 eine Änderung von §163 StPO beschlossen und darin eine Erscheinungs- und Aussagepflicht für Zeugen vor “Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft” beschlossen, für den Fall, dass der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zu Grunde liege. Die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
Was die Anforderung “Ladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft” in der Praxis bedeuten wird, ist derzeit noch nicht absehbar. In Zweifelsfällen wäre die Einholung anwaltlichen Rates zu empfehlen. Auch als Zeuge dürfen Sie sich jederzeit anwaltlich beraten und begleiten lassen. [/Update]
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