Immer wieder fragen Mandanten, welche Rechtsschutzversicherung zu empfehlen sei. Dabei vermeide ich es eine Aussage zu treffen, da ich keine Versicherungen verkaufe und mich nie tiefgründig mit der Vielzahl der verschiedenen Leistungspakete und Preise verschiedener Versicherer auseinandergesetzt habe. Es bleibt daher regelmäßig bei allgemeinen Stellungnahmen, wie “für mich als Anwalt ist es praktisch, wenn man einen festen Sachbearbeiter für einen Vorgang hat”, “ich finde es praktisch, wenn die Versicherung auch mit einer Durchwahl und Faxnummer erreichbar ist (gerne auch E‑Mail, falls die Versicherung Verschlüsselung unterstützt).” Letztlich muss aber der Versicherungsnehmer wissen, was er zu welchen Konditionen einkaufen will.
Herausgefallen aus dieser eher neutralen Positionierung meinerseits ist jetzt die Advocard.
Eine Deckungszusage enthielt folgende Aussagen:
... wir freuen uns, dass Sie unseren Kunden unterstützen und übernehmen die versicherten Gebühren. ...
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Pro Versicherungsjahr übernehmen wir insgesamt 1.000 € für Beratungen und darüber hinausgehende anwaltliche Tätigkeiten. Andere Kosten, unter anderem Gerichtskosten, Gutachterkosten oder gegnerische Anwaltsgebühren sind nicht versichert.
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Hat unser Kunde mehrere Fälle in diesem Versicherungsjahr gemeldet? Denken Sie bitte daran, dass wir insgesamt maximal 1.000 € für alle Angelegenheiten bezahlen. ...
Diesem Angebot könnte ein sogenannter Advocard-360°-Privat Rechtsschutz zu Grunde liegen. Darin heißt es im persönlichen Angebot § 30 (4) (E) u.a.:
... Der Versicherungsschutz umfasst: Beratungsgespräche sowie darüber hinausgehende anwaltliche Tätigkeiten bis zu einer Gesamthöhe von 1.000 € pro Versicherungsjahr. Die gezahlten Kosten werden auf weiter entstehende Kosten beim Versicherer in derselben Angelegenheit angerechnet. ...
Dieses ist aus meiner Sicht eine für den Kunden sehr ungünstige bis gefährliche Abdeckung.
Eine Rechtsschutzversicherung umfasst regelmäßig die Übernahme von gesetzlichen Anwaltsgebühren, Zeugengeldern/Sachverständigenhonoraren, Gerichtskosten und Kosten des Gegners, soweit der Versicherungsnehmer diese übernehmen muss (vgl. Rechtsschutzversicherung@Wikipedia). Bei dem hier betrachteten Vertrag sind aber lediglich die Kosten für den eigenen Anwalt und diese gedeckelt auf 1.000 € je Versicherungsjahr übernommen.
Warum ist das problematisch?
- Zum Einen rechnen wir als Anwälte als Service für unsere Mandanten (und um schneller ans Geld zu kommen) gerne direkt mit den Rechtsschutzversicherern ab. Das ist hier kaum sinnvoll oder es droht ein großer zusätzlicher Arbeitsaufwand, da wir nicht wissen (können), ob der Deckungsbetrag bereits ausgeschöpft wurde. Wir kennen regelmäßig nicht das Versicherungsjahr und wissen häufig auch nicht, ob und zu welchen Kosten Sie sonst noch anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen haben. Es empfiehlt sich dann also, dem rechtlichen Normalfall entsprechend, direkt mit dem Mandanten abzurechnen. Dieses bedeutet für den Betroffenen, dass er seinen Anwalt zunächst selbst zahlen und sich das Geld von der Versicherung wieder holen darf oder aber die Abrechnung durchleiten und für rechtzeitige Zahlung sorgen muss.
- Zum Anderen folgt aus jeder anwaltlichen Tätigkeit, die nach außen tritt, auch ein Risiko: die Gegegenseite könnte auf die Idee kommen sich zu verteidigen und dieses ggf. auch gerichtlich tun. Der Mandant tritt also in eine rechtliche Auseinandersetzung ein, hat aber keinen Schutz hinsichtlich der damit verbundenen und von ihm nicht mehr sicher kontrollierbaren Kosten durch bspw. eine Klageerhebung des Gegners.
- Hinzu kommt, dass wenn der Mandant über wenig Geld verfügt Beratungs- und Prozesskostenhilfe für ihn von Interesse sein können und die Versicherung dann keinen (wesentlichen) Mehrwert darstellt, und die Kosten des eigenen Anwalts die für den Mandanten am besten kontrollierbaren sind, auch wenn er über Vermögen verfügt. (Sprechen Sie über Kosten und Deckelungen. Die meisten Anwälte sind hier kooperativ.)
Somit scheint hier insgesamt ein Produkt ggf. mit markigen Worten (wie 360°-Schutz) beworben zu werden, was Ihnen im Ernstfall keinen geeigneten Schutz bietet.
[Update, 2015-10-26]
Am 29. Oktober haben sich zwei Rechtsanwälte in dem Podcast Rechtsbelehrung mit der Frage: “Was bringt eine Rechtsschutzversicherung?” auseinandergesetzt und dabei auch von Ihren Erfahrungen mit einzelnen Anbietern berichtet. Auch hieraus lassen sich für den interessierten Versicherungssuchenden Nicht-Empfehlungen ableiten.
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